Anfang November war es beschlossene Sache. Beim Suchen nach neuen Schwimm-Trainingsplänen bei swim.de bin ich auf das Kult-Event 100×100 schwimmen in Lübeck aufmerksam geworden, angemeldet, bezahlt – alles in 30 min. Danach erst mal recherchiert, was ist das überhaupt? Wer nimmt an so etwas Verrücktem teil, gibt es Erfahrungsberichte im Netz? Die gibt es, aber eines weiß ich jetzt, es stimmt nur die Hälfte. Kacheln zählen und nette Gespräche  während der Pausen – gab es nicht.

Aber auf Anfang. Am 15.12.18 um 17:00 Uhr war Einlass im Lübecker Sportbad St. Lorenz, Übergabe der personalisierten Trinkflasche, Badekappe, Müsli. Es kann losgehen. Vorab gab es schon per email an alle Teilnehmer die Bahneinteilung, vor Ort warten die Startblöcke liebevoll mit Gels und den Teilnehmernamen pro Bahn bestückt. Patty, unsere persönliche Betreuerin, Anspornerin, Bananenreicherin und Trinkflaschenauffüllerin hat schon auf uns gewartet und freudig begrüßt.

Die Halle füllte sich langsam und die Sportler fanden sich auf ihren Bahnen ein. Vorab haben wir untereinander geklärt, anhand der persönlichen ø 100m-Zeit, wer an welcher Stelle schwimmt. Mit einer von mir angepeilten ø Zeit von 1:30/100m habe ich mich nach einen Lübecker Schwimmtrainer an zweiter Stelle eingereiht und es passte wie die Faust auf`s Auge. Bei 4 Stunden im Wasser und Gruppenkuscheln am Beckenrand ist es durchaus sinnvoll sich den richtigen Vor-und Nachgänger

(-schwimmer) zu suchen.

Nach einem kurzen Briefing stiegen alle Sportler um kurz vor 18:00 Uhr ins Wasser. Eine große Leinwand zeigt an in welchem Hunderter man sich gerade befindet. Gemeinsam mit dem Moderator zählen wir von 10 runter bis die ersten Schwimmer starten. Die Abgangszeit von 2:15 zählt runter. Als Zweite starte ich bei 2.12 und so wird es auch bleiben. 4 Stunden lang, 100 mal.

Und was soll ich sagen, ich schwimme und schwimme, Runde für Runde. Es macht wirklich Spaß, die Musik dröhnt, aber im Wasser ist alles ruhig, jeder ist für sich und mit sich beschäftigt. Nach 27, 51 und 78 Hundertern gab es eine kurze Verschnaufpause von 5 Minuten.

Das Einzige was mir die ganze Zeit im Kopf rumging, war: „…und täglich grüßt das Murmeltier“. Von der tollen Musik und der unterhaltsamen Moderation am Beckenrand haben nur die Zuschauer profitiert, alles was im Wasser passierte, war Routine. Abstoßen bei 2:12, 50m 5-er Atmung Freistil lange und ruhige Züge, das junge Mädchen auf Bahn 2 abhängen, dem Taucher in 4m Tiefe auf Bahn 3 lächelnd grüßen und ihn jedes mal seltsam finden, Rollwende, die ersten Starter auf Höhe der Anzeigetafel von Bahn 4 und 5 überholen und mit einem letzten kurzen Sprint gleich hinter dem Lübecker Schwimmtrainer anschlagen. So ging es Bahn um Bahn. Ein paar Schwimmer hörten nach und nach auf, die Fangemeinschaften am Beckenrand wurden größer. Anfangs reichte ein Gel nach dem 20. Hunderter, im Laufe des Abends wurden die Trink-und Verpflegungspausen kürzer. Nach der 2. 5-minütigen Pause stieg der Vater der 100×100, Frank Wechsel,  ins Wasser natürlich mit einer Kamera bewaffnet. Nach den großen Pausen wieder in den Tritt zu kommen fällt schwer, denn einmal in den Bademantel eingekuschelt, muss er kurze Zeit später wieder der nassen Routine weichen. Ich habe überhaupt kein Zeitgefühl mehr, ich trage keinen Tracker und eine Uhr kann ich nirgends entdecken, gut so. Physisch und psychisch bin ich stabil wie am Anfang, kein Gedanke daran aufzuhören, keine Schmerzen quälen mich. Es geht weiter, die Stimmung ab Runde 80 wird lauter und aufgeheizter, jetzt ist klar, keiner wird mehr aufhören, es ist fast geschafft. Die letzten beiden Hunderter schwimmen wir in absoluter Dunkelheit, der Taucher ist längst verschwunden, am Beckenrand stehen Freunde und Familien  mit Wunderkerzen. Ich schlage den letzten 100er an und bin überwältigt von dem Gefühl es geschafft zu haben. Am liebsten würde ich weiter schwimmen und möchte die wohlige Routine mit den mir mittlerweile so vertrauten Schwimmern auf den Bahnen neben mir nicht missen.

Die Lübecker Schwimmhalle wird wieder hell erleuchtet und reißt mich aus meinen Gedanken. So schnell ging alles vorbei, wir gratulieren uns, Frank Wechsel samt Moderator beglückwünschen die Finisher. Yes, we are tough enough! Nach einer heißen Dusche, trafen sich alle zum gemütlichen Beisammensein im Foyer der Schwimmhalle, es gab lecker belegte Brötchen, Obst, Gemüse, Naschis und (alkoholfreies) Bier. Nacheinander wurden alle Finisher aufgerufen und unter Beifall gab es eine Urkunde samt Medaille. Ich bin stolz auf mich und die anderen. 2019 bin ich wieder dabei!